Das elterliche Heim sollte ein Schutzraum der Geborgenheit für Kinder sein. Was passiert jedoch, wenn das eigene Zuhause zur Hölle wird? Gerade in Coronazeiten lässt sich ein drastischer Anstieg häuslicher Gewalt verzeichnen. Die Gewaltschutzambulanz sprach im ersten Halbjahr 2020 von einem Anstieg von 8 Prozent auf 783 Fälle bzw. von 11 Prozent im Vergleich zu 2018. Kommt es nach einer häuslichen Eskalation zum Strafverfahren, stehen sich meist Täter und Opfer aus einer Familie gegenüber. Oft müssen Kinder gegen ihre eigenen Eltern oder einen Elternteil aussagen. Aber geht das überhaupt?
Gemäß § 1629 BGB können Eltern mit gemeinsamem Sorgerecht ein Kind bei Angelegenheiten von erheblicher Bedeutung nur gemeinsam vertreten. Das gilt z.B. auch für die Erhebung von Klagen im Namen des Kindes etc. Und auch bei Ermittlungsverfahren gegen die eigenen Eltern oder einen Elternteil müssten diese selbst zustimmen, dass das Kind gegen sie aussagen darf. Das macht natürlich überhaupt keinen Sinn.
In einem Fall mutmaßlicher häuslicher Gewalt entschied deshalb der BGH über das Zeugnisverweigerungsrecht und der Zustimmung zur Untersuchung des Kindes gemäß §§ 52 Abs. 2 Satz 2, 81c Abs. 3 Satz 3 StPO.
Sind Eltern eines minderjährigen Kindes in einem Ermittlungs- bzw. Strafverfahren z.B. wegen Misshandlung Schutzbefohlener beschuldigt, so ist dem Kind wegen oben benannter Problematik ein Ergänzungspfleger gemäß § 1909 Abs. 1 BGB zu bestellen. Dieser soll die Wahrnehmung und den Schutz der Rechte des Kindes sichern. Den Eltern wird solange dieser kleine Teil des Sorgerechts wegen einer Interessenkollision entzogen. Des Weiteren ist der Ergänzungspfleger zur Stellung eines Strafantrags und der Erteilung einer Schweigepflichtentbindung für behandelnde Ärzte aufgrund des erheblichen Interessenkonflikts zwischen Eltern und Kind nötig. Das gelte jedenfalls, wenn dem Kind die hierfür erforderliche Verstandsreife fehle. Für Kinder im Alter von 2-9 Jahren hatte der BGH dies pauschal so gesehen.
Die Aussagebereitschaft des Kindes ist bei der familiengerichtlichen Bestellung eines Ergänzungspflegers aufgrund zusätzlicher Belastungen für das Kind nicht bereits vorab zu prüfen.
Die in einem ähnlichen Verfahren eingereichte Verfassungsbeschwerde anderer Eltern wurde vom Bundesverfassungsgericht gar nicht erst zur Entscheidung angenommen.
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