Seit der Gesetzesänderung im Jahr 2017 dürfen in Deutschland nach § 1303 BGB Ehen unter Minderjährigen bzw. mit einem minderjährigen Ehepartner nicht mehr geschlossen werden. Dies soll Zwangsheirat verhindern.
Problematisch ist hierbei die Behandlung von im Ausland rechtsgültig geschlossenen Ehen mit mindestens einem minderjährigen Beteiligten. Hierfür sieht § 1314 Abs. 1 Nr. 1 BGB vor, dass diese vom deutschen Gericht aufgehoben werden kann, wenn der Ehepartner im Zeitpunkt der Eheschließung erst das 16. nicht aber das 18. Lebensjahr vollendet hatte.
Selbst, wenn also die Ehe nach ausländischem Recht wirksam geschlossen wurde, ist dem Schutzbedürfnis von Minderjährigen, die bereits verheiratet in der Bundesrepublik Deutschland ankommen, Rechnung zu tragen.
Allerdings ist gemäß § 1315 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 b) BGB auch dann eine Aufhebung der Ehe ausgeschlossen, wenn aufgrund außergewöhnlicher Umstände die Aufhebung der Ehe eine so schwere Härte für den minderjährigen Ehegatten darstellen würde, dass die Aufrechterhaltung der Ehe ausnahmsweise geboten erscheint.
In der Gesetzesbegründung für diese Härteregelung wird ausgeführt, dass es dem Familiengericht in besonderen Ausnahmefällen möglich sein soll, zur Wahrung des Kindeswohls des zu schützenden Minderjährigen, höchst ausnahmsweise von der Aufhebung der im Ausland rechtskräftig geschlossenen Ehe abzusehen. Beispielhaft wurden in der Gesetzesbegründung schwere und lebensbedrohliche Erkrankungen, krankheitsbedingte Suizidgefahr des minderjährigen Ehegatten oder auch eine sich im Einzelfall ergebende Verletzung des Freizügigkeitsrechts eines Unionsbürgers genannt.
Mit genau einem solchen Verfahren hatte das Amtsgericht Nordhorn und in der Beschwerdeinstanz das Oberlandesgericht Oldenburg zu tun. Hierbei ging es um die Aufhebung einer in Rumänien geschlossenen Ehe zweier Rumänen, von welchen die Ehefrau 16 Jahre und der Ehemann 20 Jahre alt zum Zeitpunkt der Eheschließung waren.
Das Gericht urteilte, dass sich im vorliegenden Einzelfall die außergewöhnliche Härte für die Ehefrau daraus ergäbe, dass für den Fall der Aufhebung der Ehe ihr über die Ehe vermitteltes unbedingtes Recht auf Arbeitnehmerfreizügigkeit und Aufenthalt in Deutschland verletzt wird. Der Ehemann nämlich war in der Bundesrepublik erwerbstätig und genoss daher als EU-Bürger Freizügigkeit. Aus der Ehe war zudem ein Kind hervorgegangen und die Familie lebte zusammen mit den Schwiegereltern der Ehefrau in Deutschland. Nach der Stellungnahme des zuständigen Jugendamtes lebte die junge Familie in geordneten Verhältnissen und es sei nicht ersichtlich gewesen, dass die junge Ehefrau unter Druck geheiratet habe.
Würde man die Ehe nunmehr aufheben, wäre das familiäre Zusammenleben durch die Gefährdung der durch die Ehe vermittelten Arbeitnehmerfreizügigkeit der Ehefrau verletzt. Es sei davon auszugehen, dass die Eheleute bei Kenntnis der Aufhebbarkeit ihrer Ehe nicht nach Deutschland zum Zwecke der Arbeit eingereist wären. Auch sich nach einer Aufhebung gegebenenfalls ergebende andere Aufenthaltsrechte könnten bei Aufhebung der Ehe zudem die Verletzung des emotionalen Bandes der Eheleute nicht kompensieren.
Hinweisbeschluss des Oberlandesgericht Oldenburg vom 18.4.2018 – 13 UF 23/18
Vorinstanz: Amtsgericht Nordhorn, Beschluss vom 29.01.2018 – 11 F 855/17 E1
Ähnliche Entscheidungen gab es im Übrigen auch bereits vom Amtsgericht Frankenthal, Beschluss vom 05.02.2018 – 71 F 268/17, für bulgarische Staatsbürger.
Auch in weiteren EU-Ländern ist eine Eheschließung bereits dann möglich, wenn ein Beteiligter noch minderjährig, also nach deutschem Recht unter 18 Jahren, alt ist. So kann man beispielsweise auf Antrag in Österreich heiraten, wenn ein Ehepartner volljährig und der andere mindestens 16 Jahre alt ist. In Spanien liegt das sogenannte Ehemmündigkeitsalter bei 16 Jahren. Auch in Polen und Griechenland können Minderjährige heiraten.
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