Ein Arbeitnehmer hatte seinen gewöhnlichen Aufenthalt und Wohnsitz außerhalb von Deutschland, genauer gesagt in der Tschechischen Republik. Da sein deutscher Arbeitgeber den vereinbarten Lohn nicht zahlte, erhob er anwaltlich vertreten Klage vor dem Arbeitsgericht Zwickau und beantragte wegen Hilfebedürftigkeit die Übernahme der Kosten der Klage und der Anwaltskosten im Rahmen der sogenannten Prozesskostenhilfe, also einer staatlichen Beihilfe. Diese Beihilfe wird gewährt, soweit sie wegen Hilfebedürftigkeit notwendig ist und Erfolgsaussichten für die Klage bestehen. Sie umfasst die notwendigen Kosten eines Rechtsstreits. Prozesskostenhilfe ist lediglich dann zurückzahlen, wenn sie von vornherein zu Unrecht bewilligt wurde oder sich innerhalb von vier Jahre nach Abschluss des Prozesses die finanzielle Situation des Hilfebedürftigen entsprechend so verbessert, dass er die staatliche Unterstützung ganz oder teilweise zurückzahlen kann.
Das Gericht muss also zur Bewilligung von Prozesskostenhilfe auch die finanzielle Situation des antragstellenden Klägers prüfen. Hierzu ist ein ausgefüllter Formfragebogen mit Einkommensnachweisen etc. beizufügen. Da die Gerichtssprache gemäß§ 184 GVG die deutsche Sprache ist, sind auch die entsprechenden Nachweise – zum Beispiel Lohnbescheinigungen – mit deutscher Übersetzung einzureichen, sofern sie in einer Fremdsprache verfasst sind.
Da Übersetzungen bekanntermaßen teuer sind, hatte der antragstellende Kläger daher beantragt, dass sich die Bewilligung der Prozesskostenhilfe auch auf die Übernahme dieser Übersetzungskosten bezieht. Denn ohne Übersetzung der Einkommensbelege wäre eine Prüfung der Erfolgsaussichten des Prozesskostenhilfeantrages nicht möglich gewesen. Das Arbeitsgericht Zwickau hatte dem antragstellenden Kläger sodann Prozesskostenhilfe bewilligt, was die Gerichtskosten und auch die Kosten der anwaltlichen Vertretung umfassen sollte. Eine Übernahme der Übersetzungskosten für die Prozesskostenhilfeunterlagen, welche der Kläger bereits mit dem Prozesskostenhilfeantrag einreichen musste, lehnte das Gericht allerdings ab.
Daraufhin erhob der anwaltlich vertretene Kläger sogenannte sofortige Beschwerde, welcher das Arbeitsgericht Zwickau nicht statt gab. Es blieb also dabei, dass die Übersetzungskosten allein der Kläger zu tragen hatte. Hiergegen richtete sich seine weitere Beschwerde, welche vom Gericht 2. Instanz, dem Sächsischen Landesarbeitsgericht, ebenfalls zurückgewiesen wurde. Daher wendete sich der Kläger letztlich an das Bundesarbeitsgericht. Dieses erteilte den unteren Instanzen nunmehr eine Abfuhr.
Das Bundesarbeitsgericht entschied nämlich, dass bei einem arbeitsgerichtlichen Rechtsstreit mit grenzüberschreitendem Bezug im Sinne von Art. 2 Abs. 1 RL 2003/8/EG die gewährte Prozesskostenhilfe auch die von dem Antragsteller mit Wohnsitz oder gewöhnlichem Aufenthalt in einem anderen Mitgliedstaat der Europäischen Union verauslagten Kosten für die Übersetzung der Anlagen, die für die Entscheidung über den Antrag erforderlich sind, umfasst.
Das Bundesarbeitsgericht hatte diese Frage jedoch ursprünglich nicht selbst beantworten können, sondern, da es um die Auslegung von europäischem Recht ging, zunächst in einem sogenannten Vorabentscheidungsverfahren dem Europäischen Gerichtshof in Luxemburg vorgelegt. Dieser hatte entschieden, dass ein effektiver Zugang zum Recht in solch einer Konstellation nur dann möglich ist, wenn auch sämtliche Kosten, die zur Bewilligung einer beantragten Prozesskostenhilfe notwendig sind, von der Prozesskostenhilfe erfasst sind. Wäre dies nicht der Fall, dann würde ein hilfebedürftiger Kläger trotz guter Erfolgsaussicht die Kosten einer Klage möglicherweise scheuen, da er auf den Übersetzungskosten für die Anlagen zum Antrag auf Prozesskostenhilfe selbst im Fall des Obsiegens und der Bewilligung der Prozesskostenhilfe sitzen bleiben würde.
Eine begrüßenswerte Entscheidung.
Verfahrensgang: Beschluss des Arbeitsgerichts Zwickau vom 8. April 2014 – 6 Ca 1711/13; Nichtabhilfebeschluss des Arbeitsgerichts Zwickau vom 30. Oktober 2014 – 6 Ca 1711/13; Beschluss des Sächsischen Landesarbeitsgerichts vom 15. April 2015 – 4 Ta 264/14 (6); Urteil des EuGH vom 26. Juli 2017 – C – 670/15; Beschluss des Bundesarbeitsgerichts vom 17.10.2017, 10 AZB 22/15
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