Der Bundesgerichtshof hat nunmehr entschieden, dass auch gegen den Willen eines Elternteils das sogenannte paritätische Wechselmodell gerichtlich angeordnet werden kann.
Ausgangsfall: Die Eltern eines Kindes lebten getrennt und hatten sich mittlerweile scheiden lassen. Das gemeinsame Kind lebte überwiegend bei der Mutter. Es dürfte den Vater regelmäßig jedes 2. Wochenende besuchen. Das gemeinsame Sorgerecht blieb beibehalten. Nun wollte sich der Vater mit dieser Situation nicht abfinden und bat die Mutter darum, dass beide das Kind zu gleichen Teilen betreuen. Dies nennt man paritätisches Wechselmodell. Das Kind wechselt dabei beispielsweise wöchentlich von einem Haushalt in den anderen. Die Mutter lehnte dieses Vorhaben ab und wollte weiterhin, dass das Kind überwiegend bei ihr lebt.
Bisherige Rechtslage: Die Gerichte hatten bisher festgestellt, dass man dem Vater in solch einer Situation nicht dadurch helfen könne, dass man das Wechselmodell „einfach“ gerichtlich anordnet. Denn dies sei keine Frage eines Umgangsverfahrens mehr, sondern bereits eine sorgerechtliche Entscheidung. Schließlich ginge es um die Frage, ob beide Eltern das Kind zu gleichen Teilen betreuen dürfen. Zwar hätte in solch einem Fall der Vater das alleinige Sorgerecht bzw. das alleinige Aufenthaltsbestimmungsrecht beantragen können. Damit hätte er auch festlegen können, dass das Kind eine Woche bei der Mutter und eine Woche bei ihm leben soll. Dies setzt allerdings voraus, dass das Gericht der Kindesmutter das Sorgerecht entzieht, was lediglich unter sehr krassen Umständen möglich sein wird. Wenn die Kindeseltern ansonsten ein gutes Verhältnis miteinander pflegen, was äußerst wünschenswert für das Kind ist, wird so ein Fall aber nicht vorliegen. Eine gerichtliche Anordnung des Wechselmodells kam bisher auch deshalb nicht in Betracht, da die Gerichte davon ausgegangen sind, dass dies eine Frage der Ausübung des Sorgerechts ist. Man müsste den Eltern also vorschreiben, wie sie das gemeinsame oder alleinige Sorgerecht auszuüben haben. Dies allerdings lehnten Gerichte ab, denn ihre Aufgabe sei es nicht, konkret für die Eltern das Sorgerecht auszuüben, sondern lediglich zu bestimmen, wer die Entscheidungsbefugnis haben soll. Man konnte also bisher lediglich entscheiden, wer etwas das Kind betreffend zu sagen hat, aber nicht, wie er das Sorgerecht ausübt.
Der Wandel: Mit dieser mutmaßlich durch das Gesetz und vor allem die Rechtsprechung geschaffenen Situationen waren verständlicherweise viele Trennungseltern nicht einverstanden. Weigerte sich ein sorgeberechtigte Elternteil, die Betreuung mit dem anderen Elternteil nach einer Trennung zu teilen, hatte dieser Elternteil keine rechtliche Handhabe, es sei denn, die Eltern waren so zerstritten, dass er das alleinige Sorgerecht beantragen konnte. Bereits seit längerem gab es daher Rufe nach einer Änderung des Gesetzes bis hin zur Festlegung, dass nach einer Trennung der Eltern grundsätzlich das sogenannte Wechselmodell zu praktizieren ist. Man geht dabei von dem Gedanken aus, dass es grundsätzlich für das Kindeswohl förderlich ist, wenn das Kind auch nach einer Trennung durch beide Eltern gleichmäßig betreut wird. Dies heißt nicht, dass Eltern nicht für sich ein anderes Modell festlegen können. Der Grundsatz soll allerdings das Wechselmodell sein. Bisher fehlt es hierfür jedoch an einer gesetzlichen Grundlage.
Die klarstellende Rechtsprechung: Nun hat der Bundesgerichtshof festgestellt, dass sich zwar das Gesetz am sogenannten Residenzmodell orientiert, also davon ausgeht, dass ein Kind nach einer Trennung überwiegend von einer Person betreut wird und die andere Person lediglich regelmäßig besucht. Der Bundesgerichtshof stellt jedoch klar, dass dies lediglich die praktisch häufigste Ausgestaltung ist, nicht jedoch als gesetzlich festgelegtes Leitbild dienen kann. Wenn beide Eltern gleichberechtigt Inhaber des Sorgerechts sind, ist die entsprechend als Wechselmodell praktizierte Betreuung logische Folge dessen. Dies allerdings tatsächlich nur für Fälle, in denen das Wechselmodell dem Wohl des Kindes entspricht. So ist das Wechselmodell anzuordnen, wenn die geteilte Betreuung durch beide Eltern im Vergleich mit anderen Betreuungsmodellen dem Kindeswohl im konkreten Fall am ehesten entspricht. Dies setzt voraus, dass beide Eltern gewillt und in der Lage sind, sich auf diese Situation einzustellen und erhöht zu kooperieren. Die Eltern werden bei einem Wechselmodell nämlich dazu angehalten, erhöht kommunikations- und kooperationsfähig zu sein. Im Umkehrschluss heißt das, dass ein Wechselmodell dann nicht angeordnet werden kann, wenn diese Voraussetzung gerade nicht vorliegt. Soll also erst die Anordnung des Wechselmodells dazu dienen, eine Kommunikations- und Kooperationsfähigkeit der Eltern herzustellen, scheidet die gerichtliche Anordnung aus. Denn dies liegt nicht im Interesse des Kindes. Erheblich konfliktbelastete Elternverhältnisse profitieren daher von der neuen klarstellenden Rechtsprechung nicht. Zu beachten ist zudem, dass dem Kindeswillen mit steigendem Alter ein zunehmendes Gewicht beizumessen ist. Auch der Wille des Kindes, ob es einem Wechselmodell zustimmen würde oder nicht, ist daher unter anderem ausschlaggebend.
Verfahrensgang: AG Schwabach, 10.09.2015 – 1 F 280/15; OLG Nürnberg, 08.12.2015 – 11 UF 1257/15; Bundesgerichtshof, Beschluss vom 1. Februar 2017, XII ZB 601/15
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