Manchmal zählt jede Minute. Das EuGH-Urteil vom 09.03.2021 – C-580/19 – dufte für viele Berufe der Sozialwirtschaft interessant sein. Demnach kann Rufbereitschaft zur allgemein vergüteten Arbeitszeit zählen.
Anlass gab die Klage eines Offenbacher Feuerwehrmannes vor dem Verwaltungsgericht in Darmstadt. Dieser ist im Rahmen seiner Rufbereitschaft dazu verpflichtet, seine Arbeitskleidung zu tragen, sowie mit seinem Dienstauto innerhalb von 20 Minuten auf Abruf am Arbeitsplatz zu sein. Vergütet wurde dies von der Stadt Offenbach nicht.
Das Bundesarbeitsgericht entschied bereits 2016, dass der Bereitschaftsdienst zur Arbeitszeit gehöre und mit dem gesetzlichen Mindestlohn vergütet werden müsse. Während des Bereitschaftsdienstes hat sich der Arbeitnehmer am Arbeitsplatz bereit zu halten und ist somit in seinem Aufenthaltsort beschränkt.
Die Rufbereitschaft wie im Falle des Klägers hingegen stellt eine Sonderform des Bereitschaftsdienstes dar. Der Arbeitnehmer darf sich an einem von ihm selbst gewählten Ort aufhalten, muss aber innerhalb einer vereinbarten Zeit auf Abruf am Arbeitsplatz sein oder die Arbeit aufnehmen können. Bislang gehörte die Rufbereitschaft zur Ruhezeit im Sinne des Arbeitszeitgesetzes und nur ein tatsächlicher Arbeitseinsatz war zu vergüten.
Nun stellte sich für das Verwaltungsgericht Darmstadt die Frage, ob die geltende deutsche Regelung mit dem europäischen Recht, genauer mit Artikel 2 der Richtlinie 2003/88/EG, sowie Artikel 5 und 6 der Richtlinie 89/391/EWG zu vereinbaren ist. Deshalb legte das Verwaltungsgericht diese rechtliche Frage dem EuGH vor, leitete somit ein sog. Vorabentscheidungsverfahren gemäß Art. 267 AEUV ein.
Der Europäische Gerichtshof in Luxemburg entschied nun, dass auch die Rufbereitschaft vergütet werden könne, sollte der Arbeitnehmer in seiner freien Entfaltung erheblich eingeschränkt sein. Dies ist beispielsweise der Fall, wenn der Arbeitnehmer faktisch am Arbeitsplatz, welcher nicht zeitgleich sein Zuhause darstellt, bleiben muss oder nur eine minimale Reaktionszeit durch den Arbeitgeber gewährt wird.
Auch Erleichterungen, wie ein Dienstwagen mit Blaulicht, seien diesbezüglich jedoch zu berücksichtigen. Dies könnte im Falle des klagenden Offenbachers relevant sein.
Wie die Rufbereitschaft zu vergüten sei, muss anhand einer Einzelfallabwägung durch die nationalen Gerichte entschieden werden. Dadurch wurde die Entscheidung allgemein gehalten und ist auf eine Breite von Fällen anwendbar. Für den Offenbacher Feuerwehrmann bedeutet dies hingegen, dass das Verwaltungsgericht Darmstadt erneut tätig werden muss.
Verfahrensgang:
VG Darmstadt, 21.02.2019 – 1 K 1188/15
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